Liebe Pferdehalter,
Erleichterung und pures Glück – endlich liegt der zukünftige Körungssieger
oder die Staatsprämienstute neben der erschöpften Mutter im Stroh. Noch etwas
nass zwischen den langen Ohren, aber alles ist dran und verspricht eine große
Zukunft. Sie selbst haben unruhige Nächte und Stunden bangen Wartens hinter
sich. Nun ist die Kinderstube mit frischem Stroh ausgelegt, der Nabel des
Fohlens zum ersten Mal desinfiziert worden und die Nachgeburt ist auch
komplett abgegangen.
Bevor Sie sich jetzt aber zurückziehen und das Starfohlen gebührend
„begießen“, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass Ihre Arbeit noch
nicht komplett beendet ist. Natürlich ist es richtig, dass Mutter und Kind
jetzt erst einmal Ruhe erhalten, um sich ausgiebig beschnuppern zu können.
Ihnen fällt aber trotzdem die Rolle des aufmerksamen Beobachters zu: Hält das
Fohlen auch sein vorgegebenes Programm ein?
Der Zeitplan eines neugeborenen Fohlens sieht vor, dass es bereits nach 2-3
Minuten in Brustlage liegt. Eine Stunde nach der Geburt sollte es stehen und
nach einer weiteren Stunde das Euter gefunden haben und schmatzend seine erste
Mahlzeit einnehmen. Es ist ungeheuer wichtig für das Fohlen, dass es innerhalb
der ersten Lebensstunden ausreichend bei seiner Mutter trinkt. Nur so kann es
sich vor Krankheitserregern schützen, die überall in seiner Nähe auf ihn
lauern. In der Gebärmutter war das Fohlen vor allen Erregern geschützt, jetzt
ist es ihnen schutzlos ausgeliefert. Ein junges Pferd wird nämlich mit einem
unausgereiften Abwehrsystem geboren und kann in den ersten Lebenswochen noch
keine eigenen Antikörper
zur Krankheitsabwehr bilden. Anders als z. B. beim Menschen treten während der
Schwangerschaft auch keine Antikörper der Mutter durch die Plazenta in das
kindliche Blut über; ein Fohlen kommt wirklich völlig ungeschützt auf die Welt.
In der ersten Milch der Stute, die auch Biestmilch oder
Kolostrum genannt wird, befinden sich
viele Antikörper, die das Fohlen nur während seiner ersten Lebensstunden
durch die Darmwand hindurch in das Blut aufnehmen kann. Trinkt es innerhalb
der ersten sechs Stunden nicht ausreichend, so wird es vermutlich zu wenig
Antikörper aufnehmen. Bakterien, die über den Nabel oder die Schleimhäute von
Maul, Nase und Auge in den Körper des Fohlens eindringen, haben dann ein
leichtes Spiel und können z. B. Fohlenlähme
verursachen.
Die erste Milch regt übrigens außerdem die Darmbewegung an, so dass das Fohlen
das so genannte Darmpech leichter ausscheiden kann.
Darmpechverhaltung nennt man es, wenn das
Darmpech nicht oder nicht vollständig abgesetzt wird und den Darmausgang
verstopft.
Sie sehen, auch als stolze „Großeltern“ hat man seine Pflichten. Wenn man dann
aber seinen Schützling im Frühling gesund und munter über die Weiden toben
sieht, wird man für die Strapazen mehr als genug entlohnt!
Glückliche Stunden mit Ihren Pferden wünscht
Ihr enpevet-Team